Bewerbungscoach Joachim Schultze

ERFOLGREICH BEWERBEN – ABER WIE?

In seiner Kolumne erklärt Bewerbungscoach Joachim Schultze von der Krux zwischen Arbeitslosenzahlen und fehlenden Fachkräften – einige hilfreiche Tipps für die Bewerbung inklusive!

Menschen, die aktuell einen neuen Job suchen, sollten eigentlich sehr positiv gestimmt sein, zumal das Thema Fachkräftemangel in vielen Meldungen von Unternehmen und Medien zu finden ist. Als Fachkräfte bezeichnet man Arbeitnehmer, die entweder eine Berufsausbildung, welche mindestens zwei Jahre dauert abgeschlossen, oder ein Studium absolviert haben. Die Berufsbilder, in denen der höchste Mangel an Fachkräften besteht, sind u. a. Sozialarbeit und Sozialpädagogik, die Kinderbetreuung und -erziehung, die Altenpflege, die Bauelektronik, die Gesundheits- und Krankenpflege, die Sanitär-, Heizungs- und Klimatechnik, die Informatik, die Kraftfahrzeugtechnik und der Berufskraftverkehr. Zwischenzeitlich dauert es bis zu 200 Tage, in diesen Berufsfeldern geeignete Bewerberinnen und Bewerber zu finden.

UNVOLLSTÄNDIGE ARBEITSLOSENQUOTE


Gleichzeitig gibt die offizielle Statistik der Bundesagentur für Arbeit aber Auskunft darüber, dass es im Juli diesen Jahres 2.470.243 Menschen gab, die arbeitslos gemeldet waren. Jedoch ist dieser Wert nur die halbe Wahrheit, da zu diesem Wert noch die Unterbeschäftigungsquote hinzu gezählt werden muss. In der Unterbeschäftigungsrechnung sind diejenigen Menschen enthalten, die an entlastenden Maßnahmen der Arbeitsmarktpolitik teilnehmen oder zeitweise arbeitsunfähig erkrankt sind. Somit ergibt sich ein Gesamt- wert von 3.216.871. Wie passen diese Zahlen zusammen? Schließlich sind doch auch Fachkräfte unter den arbeitslos gemeldeten Menschen. Erklärungsansätze gibt es viele. Einer der Punkte ist natürlich die Frage, wo die freien Arbeitsplätze angeboten werden. Nicht jeder, der im „schönsten Bundesland der Welt“ lebt ist bereit seine Zelte hier abzubrechen, Freunden und Familie Adé zu sagen, sein Haus zu verkaufen und sich in Bayern, Sachsen oder Nordrhein-Westfalen niederzulassen und neu anzufangen.

ALTER WEIN IN NEUEN SCHLÄUCHEN

Aus meiner Praxis als Personalberater und Bewerbungscoach möchte ich hier ein Thema ansprechen, was mir sehr häufig begegnet, warum Unternehmen und Bewerberinnen und Bewerber nicht zusammenfinden. Auf der einen Seite erhalte ich von meinen Mandantinnen und Mandanten sehr häufig die Aussage, dass man für die ausgeschriebene Stelle nicht ausreichend qualifiziert ist. Bei genaueren Hinsehen fällt dann jedoch auf, dass das so hochtrabend ausformulierte Anforderungsprofil nichts anderes als „alter Wein in neuen Schläuchen“ ist. Unternehmensinterne Fachbegriffe oder die Nutzung von Anglizismen lassen den Bewerber nicht sofort erkennen, was für die Position wirklich gefordert wird, was dazu führt, dass eine Bewerbung erst gar nicht versendet wird. Hier sind die Unternehmen aufgefordert, Stellenangebote so zu formulieren, dass jeder potentiell geeignete Bewerberinnen und Bewerber sich angesprochen fühlt.

FÄHIGKEITEN UND KOMPETENZEN KENNEN


Ein weitaus relevanteres Thema findet sich auf der Seite der Bewerberinnen und Bewerber. Unzählige Male schon wurde ich im Coaching von Mandantinnen und Mandanten gebeten, auf eine konkrete Stelle eine Bewerbung zu fertigen. Meine erste Frage ist dann stets, warum sich der Mandant auf diese Stelle bewerben möchte, und welche Qualifikationen, Kompetenzen und Kenntnisse ganz konkret die Bewerbenden dem Arbeitgeber anbieten kann. Es ist schon erstaunlich, wie wenige meiner Mandantinnen und Mandanten diese Fragen beantworten können. Die wenigsten Menschen machen sich die Mühe, sich über alle ihre Fähigkeiten und Kompetenzen Gedanken zu machen und einmal zu definieren, wofür sie eigentlich stehen. Hier geht es um die Themen Selbstbewusstsein und Selbst- vertrauen. Selbstbewusstsein hat nichts mit dem Aussenauftritt zu tun, sondern ist vielmehr der Blick ins Innere. Mache doch einmal den Selbsttest und schreibe 50 Fähigkeiten auf, die Du besitzt und in Deinem Berufsleben einbringen könnest. Im zweiten Schritt frage Dich, ob Du Dir wirklich zutraust, dass, was Du für Dich gefunden hast auch wirklich professionell im Job einzubringst. Oder ob Du denkst, das ist schon so lange her, das habe ich nur kurze Zeit gemacht, da war ich ja nur in der Mitwirkung und nicht in der Verantwortung. Warum stelle ich Dir diese Fragen? Weil die Antwortmöglichkeiten, die ich hier genannt habe, tägliche Praxis in meinen Coachings sind.

PROBLEM: DARSTELLUNG NACH AUSSEN

Wenn Du es geschafft hast, ein Bewusstsein über Deine Fähigkeiten zu erlangen und im Vertrauen zu sein, dass Du diese auch umsetzen kannst, bleibt nun noch die Frage offen, wie die Informationen richtig transportiert werden. Glücklicherweise wird in einigen Schulen gelehrt, Bewerbungen zu schreiben. Aber leider wird hier der Fokus primär auf die Formalie gelegt und nicht auf den Inhalt. Sehr regelmäßig werden mir Lebensläufe vorgelegt, in denen die erste halbe Seite Auskunft darüber gibt, wo der Bewerber wohnt, welche Telefonnummer und Email-Adresse dieser hat, der Familienstand, die Konfession, ja teilweise berichten gestandene Erwachsene noch über Name und Beruf der Eltern. Gekrönt wird das dann mit der Aussage, dass eine Grundschule besucht wurde.

SECHS SEKUNDEN BIS ZUR ENTSCHEIDUNG


Stelle Dir doch selbst einmal die Frage, wenn Du Werbung oder Angebote liest, wie viel Zeit Du Dir nimmst, um zu entscheiden, ob das Angebot für Dich interessant ist, oder Du weiterblätterst zum nächsten Angebot. Man sagt allgemein, dass eine erste Entscheidung innerhalb von sechs Sekunden getroffen wird. Und warum sollten denn nun Personaler anders agieren als Konsumentinnen und Konsumenten? Wer in den ersten sechs Sekunden nur unwesentliche und strukturelle Daten liefert, anstand von seinen Kompetenzen zu berichten, muss sich nicht wundern, dass die Absage zügig folgt. Schließlich ist eine BeWERBUNG nichts anderes als Werbung in eigener Sache. Mein Tip für alle, die sich bewerben wollen, überzeugen Sie direkt in Ihrem Lebenslauf mit Ihren Kompetenzen und Fähigkeiten, die Sie ganz konkret für diese eine Stelle mitbringen. Nun kommt aber immer die Entgegnung, dass dies ja im Anschreiben dargelegt wird.
Wusstest Du, dass mehr als 55 Prozent der Personaler und Arbeitgeber gar keine Anschreiben lesen?

ÜBER DEN AUTOR


Joachim Schultze ist Diplom-Kaufmann und Jurist für Arbeits- und Sozialrecht und verfügt über eine über 20-jährige Erfahrung als Führungskraft und Personalentscheider. Vor acht Jahren hat er sich als Personalberater, Karriere- und Bewerbungscoach mit der BEWERBERMANUFAKTUR selbständig gemacht und seitdem mehreren tausend Arbeitsuchenden erfolgreich zum neuen Job verholfen. Für Menschen in Arbeitslosigkeit können die Coachings zu 100 Prozent von der Arbeitsagentur oder dem Jobcenter gefördert werden.


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