Seit einem Jahr ist Maike Wohlfahrt ein Teil des jungen und dynamischen Teams von Bottsand Bootsbau. Trotz einiger Bedenken entschied sie sich für das Meer und gegen finanzielle Sicherheiten.
Vor den Toren der Landeshauptstadt an der Kieler Außenförde wandert, eingerahmt von der Landzunge des Naturschutzgebiets Bottsand, die Sonne dieser Tage immer schneller an den Masten der Boote in der Marina hinunter, die hier ihr Winterlager aufsuchen. Es ist Anfang September – die Zeit, in der die Tage nicht nur kürzer und die Nächte länger werden, sondern auch das Arbeitspensum für die zehn Bootsbauer:innen von Bottsand Bootsbau stetig wächst. Mit dem Ende der Segelsaison beginnt nun die Kransaison: Hochkonjunktur für Geschäftsführer Leif Reincke und seine junge Besatzung von Bootsbau- er:innen und jenen, die es werden wollen. Denn der 26-jährige Reincke – und damit der wohl jüngste Werft-Chef an der Ostsee – beschäftigt in seinem Unternehmen, das er 2021 gemeinsam mit Kommilitone und Freund Lukas Feierabend gründete, drei Auszubildende.
STÄNDIG WIND, WASSER UND BUG-GEPLÄTSCHER
Eine von ihnen ist Maike. Seit einem Jahr lernt die gebürtige Bremerin in dem jungen Start-up den Beruf der Bootsbauerin. Nach einem Studium in Berlin setzte sie ihre Segel gen Norden neu und machte sich auf den Weg nach Wendtorf, um noch einmal etwas ganz Neues anzufangen – aus Liebe zum Meer, dem norddeutschen Charme, dem Wind und allem, was maritim ist. „Das war eine bewusste Entscheidung“, sagt die 32-jährige Auszubildende, die sich trotz finanzieller Widrigkeiten für ihre Leidenschaft entschlossen hat. Schließlich bekommt sie kein BAföG und auch die Unterstützung durch die Berufsausbildungsbeihilfe (BAB) fällt aufgrund ihrer Erstausbildung weg. Nach einem zweiwöchigen Praktikum bei Bottsand Bootsbau stand für Maike jedoch fest: diese Ausbildung, hier, jetzt und nirgendwo anders. Für sie passte einfach alles zusammen. Das Team, eine gemeinsame Vision und die Möglichkeit, Teil von etwas Besonderem zu sein.
KEINE WERFT WIE JEDE ANDERE
Das ist in Wendtorf der Fall. „Ich bin hier die erste Azubine, bekomme seit der Zusammensetzung des Teams alles von Beginn an mit – das allein ist schon etwas Besonderes“, sagt Maike. Die Kommunikation, kurzfristige Absprachen und Umplanungen, das alles wird auf kurzem Dienstweg miteinander geklärt. Feste Strukturen wie in anderen Betrieben, in denen die Alteingesessenen den jungen Leuten sagen, wo es langgeht, gibt es nicht. „Diese Flexibilität fehlt in vielen anderen Unternehmen“, berichtet die Auszubildende aus Gesprächen mit ihren Kameraden in der Berufsschule. Blockweise findet der Unterricht vier Wochen am Stück auf dem Priwall in Travemünde statt. Jede:r, der dieses spezielle Handwerk erlernt, reist aus ganz Deutschland an die Ostseeküste Schleswig-Holsteins.
DIGITALISIERUNG TRIFFT HANDWERK
Doch nicht nur was die einzigartige Zusammensetzung angeht, unter- scheidet sich die Werft an der Kieler Außenförde maßgeblich von anderen: An Tablets und digitalen Managementsystemen verwaltet die Belegschaft von Bottsand ihre Aufträge. Alle Mitarbeitenden sind so in der Lage, auf die Details wie den Bearbeitungsstatus eines Auftrags zuzugreifen. „Wir schaffen eine moderne, zukunftsorientierte und digitalisierte Arbeitsumgebung“, sagt Geschäftsführer Leif Reincke. „Damit wollen wir Einflüsse aus Tech- oder Green-Start-ups aufgreifen und in unsere Handwerkswelt integrieren. So lässt sich in unseren Augen modernes, nachhaltiges Handwerk gestalten, umsetzen.“
NORMALER ARBEITSTAG? – GIBT’S NICHT
Schleifen, hämmern, kurbeln, spachteln und kranen: Ohne sich die Hände schmutzig zu machen, geht es nicht – und soll es auch gar nicht, wie Maike erklärt. „Genau das ist das Schöne am Bootsbau“, sagt sie. Die Arbeit sei vielfältig, genau wie die Werkstoffe und Materialien, mit denen sie arbeiten. Während Maike an einem Arbeitsmorgen Glasfasermatten zuschneidet und laminiert, ist an einem anderen Tag die tatkräftige Unterstützung aller beim Maststellen gefragt. Weil sich die Werft über das Tagesgeschäft von Bootsbau und -restaurierung hinaus auch um Servicearbeiten rund ums Ausrüsten von Photovoltaikanlagen, Unterhaltungselektronik, Navigationselektronik, Deckshardware, Notfallmittel und vieles mehr kümmert, ist ein breites Verständnis für die Konstruktion und Funktionsweise eines Bootes nötig. Langweilig wird es in den kommenden zwei Jahren verbleibender Ausbildungszeit für Maike und ihre Kolleg:innen also sicherlich nicht. Und wenn sich das Team nach Feierabend bei einem Kaltgetränk gemeinsam in die untergehende Sonne setzt und den Arbeitstag Revue passieren lässt, ist Maike alles klar: Hier bin ich angekommen, hier will ich segeln und sein.
Wer sich über die Bottsand-Werft informieren möchte, kann dies tun unter www.bottsand-bootsbau.de.